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Frauen in der Malerei im Transkarpatengebiet

O. Havrosh O. Havrosh,
Kunstwissenschaftlerin

Die gegenwärtige transkarpatische Malerei ist ohne das Schaffen von Künstlerinnen undenkbar. Die Modernisierung der ukrainischen Kunst im 20. Jahrhundert stellte sich einer Aufgabe: der Zertrümmerung der patriarchalischen Dogmen, die die Rollenverteilung in der Kunst bestimmten. Die Frau hörte auf, ein Objekt zu sein, auf das man nur von außen blickt. Sie schafft und verändert mutig das Koordinatensystem, in dem die Ausbildung, der Beruf und die Ansichten eine bestimmende Rolle spielen. Die Stimmen von Frauen und Männern sind aber trotz der Vielstimmigkeit des modernen Kunstraumes in der Ukraine noch lange nicht im Gleichgewicht. Schrittweise befreit sich die Kunst von der Unifizierung, von der Einstimmigkeit – hierbei ist Transkarpatien keine Ausnahme.

N. Didyk „Stillleben mit der wei?en Tasse“ 2007, Ol auf Leinwand, 60 ? 50  L. Mykyta „Gegen Abend“, 1998 Tempera auf Pappe

O. Skakandiy „Sonnenblumen“ Ol auf Leinwand, 70 ? 70  L. Pryimych „Malven unter dem Fenster“, 2006 Ol auf Leinwand, 70 ? 80

Die Besonderheiten der Entstehung der transkarpatischen Malereischule sind nur zu verstehen, wenn man das gleichzeitige Auftreten der traditionellen und der modernen Kunst in den Blick nimmt. Aus diesem Zusammenhang erklärt sich das Lapidare in der Kunstsprache, die flächige, dekorative Auslegung der Formen, die Gegenüberstellung der Farbtupfer und Weiteres.

Am Ende des 20. Jahrhunderts setzt sich in den Künstlerkreisen Transkarpatiens eine neue Generation von schaffenden Künstlerinnen durch. Sie bringen neue Themen und neue Heldenfiguren mit, gehen von der weiblichen Psyche aus und betonen feminine Werte. Ihre Werke konzentrieren sich vorwiegend auf persönliche und nicht auf gesellschaftliche, auf einzelne, intime und nicht auf allgemein kulturelle Auseinandersetzungen. In diesem Kontext kann das Schaffen von Lesya Pryimych als Beispiel angeführt werden. Trotz der Nutzung monumentaler Formen gelingt es der Künstlerin, intime Gestalten zu schaffen, die durch Edelmut und Anmut bewegen. Ihre symbolisch-allegorischen Kompositionen führen uns in die Tiefe des Volksschaffens. Die Neigung zur Metapher und zur philosophischen Verallgemeinerung verleiht ihren Werken einen epischen Klang.

Auf der symbolischen Ebene gelingt es Lesya Pryimych, die Legende von der Entsakralisierung der modernen Künste zu entkräften, indem sie alte ukrainische Symbole auslegt und ihnen einen neuen Klang verleiht. Das Wesen der Frau – verliebt zu sein in die Schönheit, und sei es in die der heimatlichen Gefilde oder in die der gegenständlichen Welt – ist einer der Grundzüge im Schöpferischen von Künstlerinnen.

M. Kopanska „Zwei“, 2009 Ol auf Leinwand, 90 ? 140  T. Sopilnyak „Stillleben mit Mohnblumen“, 2007 Ol auf Leinwand, 75 ? 90

O. Dolhosh-Sopko „Der Traum“, 2008 Acryl auf Pappe, 60 ? 50  Татьна Левляс/T.Levlias «Осенний натюрморт», 2002 полотно, масло, 65х70

Die Landschaften von Tetyana Levlyas, Tetyana Sopilnyak und Emma Levadska sind durch ihren besonderen Blick auf das Alltägliche geprägt. Die Werke beeindrucken durch ihre Offenheit, Klarheit und Sentimentalität, durch die sorgfältig ausgewählten Mittel der Darstellung und die farbliche Harmonie der dargestellten Motive.

Die Werke von Mariya Mytryk und Olha Skakandiy zeichnen sich durch die veränderliche Stimmung bei der Behandlung ihres Gegenstandes aus. Die Zurückhaltung beim Einsatz der Farben, die ruhige Komposition und das präzise Gespür für die Darstellung von Emotionen spiegeln die reiche innere Welt der Künstlerinnen wider.

Die Poesie des Heimatlandes mit expressiven Mitteln zum Ausdruck zu bringen – im Sinne einer klangvollen Gegenüberstellung reiner Farben in einer ausgewogenen Komposition –, das ist die schöpferische Methode von L. Mikita. Im Wesentlichen ist der Quell ihrer Inspiration die Natur ihrer Heimat, das Volk – das Tiefgründige in den Figuren, das ist eines der Elemente der Kultur des ukrainischen Volkes.

Die Arbeiten von Odarka Dolhosh ähneln den Seiten eines Briefes mit ungelesenen, chiffrierten Botschaften. Auf den ersten Blick gewöhnlich scheinend, führt der Gegenstand oder die Landschaft den Betrachter in eine geheimnisvolle Handlung – in das Ritual der Rückkehr zur eigenen Seele. In der Kreisförmigkeit des Striches auf der Fläche der Leinwand werden die Mikro- und Makroelemente belebt, die sich wie ein Puzzle zu einer Antwort auf die existenzielle Frage „Wer bist Du?“ zusammensetzen.

E. Levadska „Die Farben der Erde“, 2002  O. Kondratyuk „Die bunte Sonne“, 2005 Ol auf Leinwand, 83 ? 61

M. Mytryk „Tontopf mit Blumentraumen“, 2007 Ol auf Leinwand, 70 ? 80

Die Akzentuierung der dekorativen Gestaltung und des positiven Ausstrahlungsfeldes sind das schöpferische Credo von Nadiya Didyk. Ihre Kompositionen beeindrucken durch die Dynamik der Bewegungen und die eigentümlichen Illusionen des Raums. Olena Kondratyuk ist eine Künstlerin, die nicht darstellt, sondern reflektiert. In ihren Werken spürt man einen angespannten Monolog.

Ohne zu übertreiben, kann man behaupten, dass das Schaffen der Frauen in der Malerei aus Transkarpatien den Prozess der Psychologisierung der Malerei beschleunigt hat. Gemeint ist damit die Abkehr von breiten Pinselstrichen, vom Epischen sowie Großen und die Hinwendung zum Psychologischen, zur Beschreibung der Umwelt im Halbton …

Oksana Havrosh