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Familie der Schätze von Sieghard

Sammler der Gemälde von transkarpatischen Künstlern,
Mäzen des Projektes
„Buch-Katalog‚ Transkarpatische Malerei‘ in 2 Bänden“

 

Y. Novikov „Porträt von S. Raschdorf“

Sieghard Raschdorf

geb. am 15.11.1949 in Sachsen (Deutschland).
Politologe, Historiker (1983).
1994–2005 – Geschäftsführer eines deutsch-schweizerisch-ukrainischen Unternehmens;
1992–1994 – Vertreter einer Hamburger Handelsgesellschaft in der Ukraine;
Seit 1994 – Gründer der „Diligens Ltd“, „Orion-Ra Ltd“ und „RIW-Ukraine Ltd“

 

Um die Anziehungskraft der transkarpatischen Landschaften zu verstehen, sind die Gemälde allein nicht genug. Man muss die Karpaten erfahren. Im Winter, wenn die winzigen, in Gebirgen verlorenen Siedlungen mit Schnee bedeckt sind. Im Frühling, wenn das Tauwasser von den Bergen herabläuft und sich schmale Bäche in brüllende Wasserfälle am Bergfuß verwandeln. Im Sommer, wenn die Ruhe der Berghöhen durch den klangvollen Laut der Trompeten unterbrochen wird. Man muss aber unbedingt im Herbst in die Karpaten kommen, wenn es aufgrund der grellen Farben vor den Augen flimmert und die Bäume durch die Blätter mit fantastischen Farben bedeckt sind. Der deutsche Unternehmer Sieghard Raschdorf kam im Herbst in die Karpaten und verliebte sich in diese Berge. Als er die ihn beeindruckenden Landschaften in einer Ausstellung der Arbeiten von Mitgliedern des transkarpatischen Künstlerverbandes erblickte, entschloss er sich, alle Gemälde zu kaufen. Außerdem wollte er die hiesigen Künstler unterstützen. Das geschah vor 17 Jahren. Etwas später beschloss Sieghard Raschdorf, einen Katalog über die Arbeiten aus seiner Sammlung herauszugeben und Ausstellungen in der Ukraine und in Deutschland zu organisieren. Kurz danach wurde das Projekt mit einem 2-bändigen Buch-Katalog über die transkarpatischen Künstler realisiert, was in diesem Heft thematisiert werden soll.

Herr Raschdorf, die Sammler haben es gern, etwas zu sammeln; sie haben meistens vor, damit künftig zu verdienen. Wie war es in Ihrem Fall?

- Wenn man die Briefmarken oder Münzen, die ich einst gesammelt hatte, als eine Kollektion bezeichnet, so bin ich wirklich ein echter Sammler gewesen, weil es mir sehr gefiel (er lacht). Mit den Arbeiten der transkarpatischen Maler ist es so, dass ich eher zufällig Sammler geworden bin. Ich arbeite seit 1992 in der Ukraine. Zur Zeit der Entstehung der Kollektion war ich in einer Hamburger Handelsfirma tätig. Ich schuf ein Netz von Geschäften im Transkarpatengebiet und wohnte in Uzhgorod. Es trug sich zu, dass mich ein Bekannter einlud, eine Gemäldeverkaufsausstellung, die von Mitgliedern der transkarpatischen Organisation des Künstlerverbandes der Ukraine organisiert wurde, zu besichtigen. Die Maler wollten mit dem durch den Verkauf erlösten Geld ihre Organisation und die Miete der Ausstellungshalle finanzieren. Nach dem Besuch der Ausstellung hatte ich alles gekauft, was es dort gab – ca. 60 Gemälde. Es waren Arbeiten von allen Künstlern, die an der Ausstellung beteiligt waren. Mit der Zeit habe ich noch weitere Bilder hinzu gekauft. So bildete sich meine Sammlung. Sie umfasst heute über 100 Arbeiten.

Y. Herc „Die Kirche“ P. Bedzir aus der Serie „Symphonie des Waldes“
Ernest Kontratovych „Im Gebirge“

 

Hatte Ihnen alles Ausgestellte wirklich so sehr gefallen?

— Von meiner Seite aus war es ein Schritt, um den talentierten Künstlern entgegenzugehen. Übrigens, wenn die Bilder mir gar nicht gefallen hätten, weiß ich nicht, wie ich gehandelt hätte. Das, was ich gesehen hatte, war mir natürlich nah. Ich wohnte drei Jahre lang in Uzhgorod. Wenn jemand sich diese Bilder zum ersten Mal anschaut, glaubt man nicht, dass sie sehr naturnah sind, weil sie zu farbenprächtig wirken. Man muss in die Karpaten kommen und sich von der Vielfalt der Natur und der Farben überzeugen lassen. Es ist etwas Einzigartiges.

            Ich bin kein Kunstwissenschaftler, aber meine Kenntnisse reichen wohl aus, um echte Kunst von ihrer Imitation zu unterscheiden. Es ist nicht möglich, Kunst allein mit dem Verstand zu bewerten. Wichtig ist der erste Anblick, die Empfindung. Ich würde mich trotzdem sehr zurückhalten, wenn es um Bewertungen geht, und nicht sagen, dass dieses Bild Kunst ist und jenes nicht. Die Zeiten ändern sich und die Ansichten über Kunst verändern sich auch.

Paradox. Sie kaufen in der Ukraine Bilder, führen diese nach Deutschland aus und einige Zeit später organisieren Sie eine Ausstellung dieser Arbeiten wieder in der Ukraine.

— Die Kollektion ist nicht komplett nach Deutschland ausgeführt worden. Was die Ausstellungen betrifft, so habe ich die Kollektion im Februar 1994 in Hamburg und etwas später in Berlin exponiert. Die Ausstellungen in Deutschland kosteten viel Geld.

 Zudem ist es nicht so einfach, in einer prestigeträchtigen Galerie ausstellen zu können.

Soweit ich informiert bin, werden die Gemälde transkarpatischer Künstler auf dem internationalen Markt sehr geschätzt.

— Ja, heute werden die ukrainischen Maler im Ausland viel besser aufgenommen als noch am Anfang der 90er Jahre. Damals musste ich, auch für mich, viel Unangenehmes anhören. Es waren die Stereotype wenig gebildeter Galeristen, die mir sagten: „Das ist keine Kunst. Alles, was aus der UdSSR kommt, ist überhaupt keine Kunst.“ Und welch Wunder, nach dem Jahr 2000 wurden die Arbeiten postsowjetischer Künstler hochaktuell.

Wie schätzen Sie den Wert Ihrer Kollektion ein?

— Ich habe ein Bild von Anton Kashay, dem Schüler von A. Erdeli. Als ich es 1995 kaufte, wollten Verwandte des Malers $ 400 von mir. Heute ist der Preis für seine Bilder bei Auktionen bis auf $ 10.000 gestiegen. Aber ich gebe nicht viel darauf. Ich verfolgte nicht das Ziel, damit zu verdienen.

Die Sammler, die ihre Kollektionen formieren und solche Ziele verfolgen, sollten außer dem künstlerischen Geschmack auch noch ein besonderes Gespür haben. Es ist ja schwer vorauszusehen, welche Werke welches Meisters hohe Preise erzielen werden.

— Viele Sammler in der Ukraine machen es sich ganz einfach: Sie kaufen die ganze Werkstatt auf. So zum Beispiel einige ukrainische Oligarchen. Sie vereinbaren dann mit dem Künstler, dass er höchstens 1–2 Bilder pro Jahr schafft. Das ist für alle Seiten vorteilhaft. Ich kenne Uzhgoroder Maler, die ihre Arbeiten wieder zurückkaufen, um die Nachfrage anzuregen. Ein mir bekannter Künstler, schon hochbetagt, schafft heute überhaupt nichts mehr. Seine Familie achtet trotzdem darauf, an wen und wohin seine Arbeiten verkauft werden. Sie glauben, dass die Preise, die für seine Werke gezahlt werden, mit der Zeit wesentlich steigen werden.

Надежда Пономаренко, заслуженный художник Украины «Тополиная аллея» Mitte der 1990er Jahre haben Sie einiges für die Popularität von Yuriy Herc getan. Er ist heute ein weltbekannter Künstler. Ist das Ihren Bemühungen zu verdanken?

— Wirklich, 1994 habe ich ihm geholfen undeinen Katalog seiner Werke mit einer Auflagenhöhe von 500 Exemplaren herausgegeben. Ich organisierte eine Ausstellung seiner Arbeiten in Hamburg.
Der Erfolg von Yuriy liegt in seiner Arbeit und bei ihm selbst.

Ich hatte damals über 20 Arbeiten von ihm. Einen Teil davon schenkte ich meinem Sohn, Bekannten aus Kijiv sowie Geschäftspartnern. Heute würde es als ein besonders wertvolles Geschenk gelten. Wenn wir alles im Voraus gewusst hätten, so hätten wir vielleicht auch anders gehandelt (lacht). Aber ich bezweifle das und denke, dass ich wieder so handeln würde. Ich plane noch ein Projekt. Ich möchte einen Katalog mit Werken aller Mitglieder des Transkarpatischen Künstlerverbandes veröffentlichen. Im Katalog werden der Lebenslauf, Fotos der Künstler und einige von ihren Werken zu sehen sein.

Meine letzte Frage wird vielleicht eine zynische Note haben, jedoch … Wozu brauchen Sie das alles? Gibt es denn in Deutschland keine Künstler, die die Unterstützung nötig hätten?

— Meine Kontakte in der Ukraine sind breiter gestreut und intensiver als in Deutschland. Deswegen bin ich kaum ein Ansprechpartner, wenn es um die Unterstützung deutscher Künstler gehen sollte; ich weiß weniger über das, was dort alles geschieht.  Warum helfe ich? … Ich möchte betonen, dass es nicht nur Böses in der Welt gibt. Positive Emotionen und gute Beziehungen zu den Menschen schaffen das Schöne. — Meine Sammlung ist Teil der geistigen Kostbarkeit transkarpatischer Meister, deren Malereischule so einzigartig ist.

 

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Gemälde aus der privaten Sammlung von Sieghard Raschdorf und Lyudmyla Kononovych in einer Ausstellung im ukrainischen Kulturfonds

Y. Novikov „Porträt von L. Kononovych“Die Blüte der transkarpatischen Malereischule ging am Anfang des XX. Jahrhunderts in der österreich-ungarischen Periode der Geschichte Transkarpatiens auf. Damals hatten die Maler die Möglichkeit, in Rom, Paris, München und Budapest zu studieren. Auch wenn sie in den europäischen kulturellen Raum integriert waren, wurden die Meister aus Transkarpatien aufgrund ihrer Malweise, hell und farbprächtig leuchtend, immer und überall erkannt. Seit jeher unterschied sich die transkarpatische Malereischule durch die eigentümliche Verflechtung von Traditionen und Innovationen. Auf den Leinwänden der Künstler koexistieren visuelle Avantgardenoten (Serie „Symphonie des Waldes“ von Pavlo Bedzir) und Folkloremotive („Die Hochzeit geht bergab“ von Taras Danylych), assoziative Malerei („Rotunde in Goriany“ von Odarka Dolhosh) und Hyperrealismus („Pappelallee“ von Nadiya Ponomarenko).

Als Schmuckstücke der Sammlung treten natürlich die Gemälde von Yuriy Herc hervor, der mit seinen Karpaten-Landschaften große Popularität erlangt hatte. Sein Stil ist unverwechselbar. Der Künstler spiegelt die Welt wider, angefüllt mit großer emotionaler Spannung, mit hellem Kolorit und mit einer mächtigen inneren Energie. Erstaunlich ist auch sein Können, den Effekt der Unmittelbarkeit für den Betrachter zu schaffen.

Zauberhafte Stillleben und Bühnensujets – Volksfeste, poetische Szenen des Lebens im Dorf –, das ist die Welt des bekannten Künstlers Ernest Kontratovych, dessen Arbeiten eine enorme Nachfrage auf dem Kunstmarkt haben.
Die in die Sammlung von S. Raschdorf aufgenommenen Stillleben korrigieren die Meinung mancher Betrachter, dass die transkarpatischen Künstler ausschließlich Meister der Landschaften seien. So gesteht Ivan Brovdi seine Liebe zu einem Kandelaber ein („Die Kerze“) und Mariya Mytryk ihre zu alten Tontöpfen mit Feldblumen („Blumen“, „Stillleben“). Die Landschaften und ihre unzähligen Variationen spielen in der transkarpatischen Malereischule jedoch die bedeutendste Rolle.

T. Danylych „Die Hochzeit geht bergab“„Ich wollte mit dieser Ausstellung die bestimmte Nachfolge der Generationen der transkarpatischen Künstler demonstrieren“, sagt Sieghard Raschdorf. „Angefangen mit den Vertretern der akademischen Schule, den Schewtschenko-Preisträgern, solchen wie Yuriy Herc, Boris Kuzma oder Viacheslav Pryhod’ko bis zu den Meistern, die ihre Werke in vollkommen unterschiedlicher Manier schaffen.“
Einstmals war es nicht üblich, die transkarpatische Schule als eine besondere und eigene Schule zu bezeichnen. Heute aber ist die Existenz der transkarpatischen Malerei – zum Glück – eine unbestrittene und zweifelsfreie Tatsache. Man kann sich davon in der Ausstellung überzeugen, deren Initiator Herr Raschdorf war.