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Das Gespräch zum Thema "Transkarpatische Malereischule"

Andriy Chebykin, Präsident der Akademie der Künste der UkraineAndriy Chebykin, Präsident der Akademie der Künste der Ukraine, Volkskünstler der Ukraine, Träger des Nationalen Schewtschenko-Preises der Ukraine                            

Jedes Mal wenn ich nach Transkarpatien reise, ersehne ich die Begegnung mit dem malerisch schönen Land, mit den prächtigen Berge, den schnellen Flüssen, den grünen Berghöhen und den einmaligen Städten – Uzhgorod, Mukatschevo, Beregovo –, dem Land mit der multinationalen und vielsprachigen Bevölkerung. Das alles ist unglaublich beindruckend und inspiriert zum Schaffen, regt zu neuen Gedanken im Kreis der Künstler an, vorwiegend im Kreise der Absolventen der herausragenden transkarpatischen Malereischule, deren Impulsgeber und Gründer im XIX. Jahrhundert M. Munkacsy und später, im XX. Jahrhundert,  A. Erdeli, Y. Bokshay, F. Manaylo u. a. waren.

Ein wichtiges Ereignis für die Entwicklung der transkarpatischen Malereischule war die Gründung des staatlichen Kunstinstitutes im Transkarpatengebiet im Jahr 2003. Das Institut wurzelt in den Traditionen der Kunstschule dieses Gebietes und ging aus dem Kolleg hervor, das die Namen von Erdeli und Bokshay trägt.

Der Direktor des neu geschaffenen Institutes, Ivan Nebesnyk, arbeitet sehr intensiv daran, dass das Erbe von A. Erdeli und den anderen Vertretern der transkarpatischen Malereischule bewahrt wird. Er studiert die Geschichte der Bildung auf dem Gebiet der Kunst in seiner Heimat und bezieht dabei auch die Lehrer und die Studenten ein.

Ich wünsche der darstellenden Kunst im Transkarpatengebiet ein gutes Gelingen, der transkarpatischen Kunstschule Erfolg und der jungen Generation der transkarpatischen Künstler schöpferische Errungenschaften.

 

Andriy Bokotey, Rektor der Lemberger Akademie der KünsteAndriy Bokotey, Rektor der Lemberger Akademie der Künste, verdienstvoller Künstler der Ukraine, Ehrenmitglied der Akademie der Künste der Ukraine, Träger des Nationalen Schewtschenko-Preises der Ukraine

Ich bin froh, dass ich in Transkarpatien, im Dorf Brid – im Gebiet Irshavo –, geboren wurde und dass die wichtigsten Gefühle, die meine Seele im Laufe des Kontaktes mit diesem schönen Land und seinen wunderbaren Einwohnern aufnahm, für immer in meinem Herzen ruhen.

Es ist nahezu unmöglich, den Eindruck der tiefgehenden Volksweisheit wiederzugeben, die in den Werken der Kunst atmet, lacht und weint. Sie wurden von Meistern ihres Faches geschaffen. Ihre Kunst wird noch lange Gegenstand des Studiums und der Analyse sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft sein.

Transkarpatien ist eine einzigartige Region. Ein besonderes Klima, der Reichtum der Erde, schöne Landschaften – alles inspiriert hier zum Schaffen. Wir haben von unseren Ahnen eine reiche Kultur geerbt: Erscheinungen des Alltags, Sitten und Bräuche, anders gesagt, die materiellen und die geistigen Traditionen unseres Volkes. Hier kreuzten sich die Wege von mindestens fünf Kulturen; in diesem Raum vereinigten sich historisch die Schicksale des tschechischen, ungarischen, ukrainischen (russinischen) Volkes und anderer Völker. Ganz wichtig ist, dass in diesem Teil der Ukraine praktisch keine zwischennationalen Konflikte existierten, im Gegenteil, die Nachbarkulturen koexistierten friedlich und bereicherten einander. Und es gibt noch ein wichtiges Moment – die künstlerischen Fähigkeiten des Volkes. Das ist ein Faktor, der sich logisch aus dem Vorangegangenen ergibt. Während der Ausstellungen der Arbeiten von transkarpatischen Künstlern empfindet man stets das unnachahmliche Kolorit der Volkskunst Transkarpatiens. Das alles zusammen ist eine wichtigste Antriebskraft des künstlerischen Fortschritts.

 

Oleksandr Fedoruk, ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der UkraineOleksandr Fedoruk, ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der Ukraine, Doktor der Kunstwissenschaft, Chefredakteur der Zeitschrift „Die bildende Kunst“

Die Ursprünglichkeit der Gestalten, die farbenreichen Formen und die Genauigkeit der Komposition waren den Werken der bekannten Meister der transkarpatischen Malereischule eigen – A. Erdeli, Y. Bokshay, Z. Sholtes, F. Manaylo, A. Kocka, G. Glück, E. Kontratovych, A. Kashay, J. Kremnitskiy, V. Habda, I. Shutev, P. Bedzir. Die fundamentalen Grundlagen der darstellenden Kunst legten diejenigen Künstler, die sich bemühten, die Kunst mit den Zügen des Heimatlandes, des Lebens, des Alltags und der Traditionen zu verbinden. Die Leinwände dieser Künstler schufen Vertrauen, begeisterten, überraschten und ließen die Augen der Betrachter nicht gleichgültig. Die Koryphäen der transkarpatischen Kunst treten im Kontext der ukrainischen Kunstkultur des XX. Jahrhunderts immer mit großem Ansehen und repräsentativ hervor. Unbestritten kann man dasselbe über ihre begabten Nachfolger sagen, die zu den führenden modernen Künstlern unseres Staates gehören. Zu ihnen zählen: V. Habda, J. Harani, Y. Herc, T. Danylych, I. und L. Brovdi, L. Korzh-Radko, E. Kontratovych, V. Mykyta, B. Kuzma, Z. Michka, M. Rossul, M. Pijter, S. Petki, V. Svaliavchik, V. Skakandiy, V. Sidak, P. Feldeshi, T. Chuvalova.

Die transkarpatische Malereischule ist am Anfang des neuen Jahrhunderts eine markante Erscheinung in der ukrainischen Kunst. Jeder Künstler hat seine eigene Konzeption des künstlerischen Denkens, sein eigenes schöpferisches Gesicht und seine eigene Malweise; all das sind Belege für die Kontinuität, aber auch die Innovationskraft der bildenden Kunst aus Transkarpatien.

 

 

Mykola Mushinka, Doktor der PhilologieMykola Mushinka, Doktor der Philologie, ausländisches Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine, Professor der Pr’asev-Universität (Slowakei)

Das Bestehen der „transkarpatischen Malereischule“ steht außer Zweifel. Sie ist schon in der Periode zwischen den beiden Weltkriegen und während des Krieges weit über die Grenzen Transkarpatiens hinaus spürbar. Das lässt sich an der Durchführung von Einzel- und Kollektivausstellungen ihrer Mitglieder in Prag, in Kosice, in Budapest und in anderen Städten festmachen. Ich meine solche Mitglieder und Mitbegründer der Malereischule wie Erdeli, Bokshay, Manaylo, Kocka, Hrabovskiy, Kontratovych, deren Werke in mehreren bekannten Museen der Welt, in Galerien und Privatkollektionen der Slowakei vertreten sind. Die Bilder der Künstler der transkarpatischen Malereischule sind heute auf Kunstauktionen in der ganzen Welt von sehr hohem Wert; im offiziellen regionalen Markt sind sie, grundsätzlich gesehen, überhaupt nicht mehr erhältlich.

In der Nachkriegsperiode hat die transkarpatische Schule trotz der formellen Annahme des „sozialistischen Realismus“ ihre nationale Eigenart und Originalität bewahrt. Ihre „Absolventen“ sind Künstler wie Hlyuk, Habda, Herc, Kashay, Mykyta, Boretskiy und Dutzende andere. Ihre Werke sind außerhalb der Ukraine von sehr großem Wert. Seit Jahren kann man in der ausländischen Presse solche Inserate zu lesen: „Kaufe Gemälde transkarpatischer Künstler“. Vom hohen Niveau der transkarpatischen Malereischule zeugt auch die Tatsache, dass manche ihrer „Absolventen“ hohe Funktionen im Kunstbetrieb einnehmen. So bekleidete zum Beispiel Michajlo Romanyshin (mein persönlicher Freund seit den 60er Jahren) einige Jahre den Posten des Direktors des Ukrainischen Kunstmuseums in Kijiv; Wojtech Kalna, der Schüler von Erdeli, Bokshay und Manaylo–, war Direktor der Ostslowakischen Gemäldegalerie in Kosice.

In den letzten 10–15 Jahren bemühen sich mehrere transkarpatische Künstler, sich von den heimischen Traditionen zu trennen und der sogenannten „modernen“ westlichen Kunst, die oft von zweifelhaftem künstlerischen Wert ist, blind nachzueifern. Es ist paradox, aber die echte transkarpatische Malereischule ist eher auf dem Theaterplatz in Uzhgorod anzutreffen als in den Ausstellungen. Leider sind solche Erscheinungen in allen europäischen Ländern, einschließlich Tschechien und der Slowakei, zu beobachten. Ich würde eine derartige Erscheinung als „Mode“ und nicht als Kunst bezeichnen. Die Kunst, die ihren Ursprung nicht in den nationalen Traditionen hat, lebt nicht dauerhaft.

 

 

Tiberii SilvashiTiberii Silvashi, in der Ukraine und im Ausland bekannter Künstler, gebürtig in Transkarpatien, Stadt Kijiv

Es gibt auf der Erde Plätze, wo man ihre irrationale Anziehungskraft besonders stark spürt. Der Ausdruck „Ich erinnere mich“ birgt die Gefahr in sich, in das Gegenteil verkehrt zu werden. Hierher kehrst du nie so zurück, wie du fortgegangen bist, und du bringst eine Menge an Enttäuschungen mit. Hier ist die Erinnerung gleich dem Vergessenen. Das Archaische wirkt den Zeichen der Zivilisation entgegen und verwandelt in einer besonderen Weise den Raum für die Künste.

An diesen Orten schenken Magie und Kunst – wie in der Vergangenheit, als sie ein einheitliches Ganzes waren – die Illusion der Berührung mit der Ewigkeit.

Wenn wir „transkarpatische Malereischule“ sagen, so meinen wir eben „transkarpatische“, um ihren besonderen Status zu unterstreichen und die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale hervorzuheben. Ich glaube, dass dieser Begriff nicht nur mit dem konkreten Territorium, sondern auch mit einer bestimmten historischen Periode zu verbinden ist – und mit konkreten Namen. Die „Gründerväter“ der transkarpatischen Malereischule bauten auf den Traditionen von Paris, Prag, Wien, Budapest auf. Die ungewöhnliche Empfindsamkeit für Farben und für die Besonderheiten der Landschaft liegen dieser Schule zugrunde. Wir fühlen die pulsierende Energie, das physisch spürbare Zittern der Jahrhunderte, das Dasein des Mythos in dieser Region. Das ist die Grundlage. Weitergeschrieben wird der Text der „transkarpatischen Schule“ von anderen. Das erfolgt im ständigen Dialog mit denjenigen, die den Anfang verkörpern, im Streiten und Diskutieren, in der Erweiterung der Sprache sowie in der Einführung und im Gebrauch neuer Materialien und Konzeptionen. „Schule“ meint also einen lebendigen Organismus.